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Reisestipendium Dresden
Naturselbstdrucke Familiensilber
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Familiensilber
In der Ornamentik von Gebäuden und Inneneinrichtungen bis hin zur Ausstattung von festlichen Tafeln bilden sich die Epochen, ihre Moden und Stile ab und bestimmen unser Bild von Geschichte. Die bürgerliche Gesellschaft findet dort ihre Traditionen und begründet ihren Reichtum sichtbar in der Nachahmung höfischer Verhaltensregeln und deren häuslicher Ausstattung. Je nach Familienstand hat sich nach dem Vorbild der hochherrschaftlichen Tafel auch das Familiensilber tradiert. Lange Zeit war es Ausdruck von Wohlstand, der an die nächste Generation weitergegeben wurde und im Zuge der bürgerlichen „Anonymisierung“ als warengerechter Ersatz für Familienwappen spielten florale Elemente eine immer größere Rolle zur Zeichnung von Wertigkeit. Was heute auf Flohmärkten meist unter dem Kurantwert des Silbers erworben werden kann, war reich mit emblematischen Gravuren aus mehr oder weniger langen Familiengeschichten versehen. Doch der Gebrauch des Familiensilbers scheint zur Last geworden zu sein, das regelmäßige Polieren allzu aufwändig und die alten Stücke taugen nicht einmal mehr als Geldanlage, die daran verschwendete Handwerklichkeit heute wertlos. Vielleicht noch ein gravierter Löffel zur Taufe – das war's dann aber.
Die Technik der Radierung entstand u.a. aus der Übertragung der Ornamente gravierter Schwerter auf Papier, um sie als Vorlagen verfügbar zu machen. Zugleich entwickelte sich aus der Tradition des friedlichen Tafelns bei Hofe das, was wir heute Besteck nennen (einst nur die Bezeichnung für einen Beutel am Gürtel, in dem man u.a. seinen meist aus Holz gefertigten Löffel für die Mahlzeiten aufbewahrte). Zeugnis der tischmanierlichen Befriedung legt die Regel ab, dass das Messer stets mit der Schneide zum Teller gelegt wird – andersherum wäre dies ein feindseliger Affront gegen den Tischnachbarn.
Anhand von Fotos gesammelter Restbestände von Silberbestecken entstanden 2016 erste Drucke in der Radiertechnik Mezzotinto Aquatinta, bei der aus einer aufgerauten (tiefdunkel druckenden) Druckplatte die Helligkeit (das Sujet) herauspoliert wird. Diese „Geste“ der Herstellung der Druckplatten schafft mir viele Bezüge: Ganz handfest zum einstmals regelmäßig notwendigen Polieren des Familiensilbers, im übertragenen Sinne zum Aufpolieren fragwürdiger oder längst überwunden geglaubter Wertvorstellungen. Zudem lassen sich anhand der eher „zufälligen“ Kompositionen meiner Fotos humorvoll Geschichten spinnen – ähnlich einer „Familienaufstellung“ – nimmt man nur Messer, Löffel und Gabel symbolisch für „männlich“, „weiblich“ und „teuflisch“ (oder als „schwarzes Schaf“). Die Kirche versuchte immer wieder den Gebrauch der Gabel als „Werkzeug des Teufels“ vom Tisch zu verbannen.
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